Dienstag, Juni 14, 2016

Mehr Freizeit für Arbeitnehmer "Zwei Stunden weniger Arbeit bei gleichem Lohn" - klingt wie das Versprechen eines unseriösen Arbeitgebers. Im schwedischen Göteborg aber testen einige Firmen den "Sechs-Stunden-Tag". Bilanz: Die Angestellten sind glücklicher und produktiver. Doch es gibt ein Aber. Von Carsten Schmiester, ARD-Studio Stockholm

"Nichts ist unmöglich", dürfte sich der Chef einer Autowerkstatt in Göteborg vor 14 Jahren gedacht haben, als er eine kleine Revolution startete: Statt in einer Acht-Stunden-Schicht ließ er seine Leute - versuchsweise - zwei Mal je sechs Stunden am Tag arbeiten, ohne ihnen weniger Lohn zu zahlen.

Das Ergebnis: Durch die längere Öffnungszeit der Werkstatt sind die Mehrkosten für zusätzliche Mitarbeiter ausgeglichen, der Gewinn ist um ein Viertel gewachsen, alle sind happy. Die Kunden, weil sie weniger warten müssen und in der Werkstatt weniger Fehler passieren. Und natürlich auch die Mitarbeiter.

"Ist doch klar, dass ich es wesentlich angenehmer finde, nur sechs Stunden am Tag zu arbeiten", meint Mats Götesson. So bliebe auch mal Zeit, um die Kinder von der Schule abzuholen, Mittagessen für sie kochen oder ihnen bei den Hausarbeiten helfen. "Das fühlt sich richtig gut an!" Die guten Erfahrungen der Autowerkstatt haben längst auch andere private und öffentliche Unternehmen neugierig gemacht.

Mehr Kraft für Arbeit mit Dementen

Der Sechs-Stunden-Tag wird an verschiedenen Orten in Schweden ausprobiert. Aber wohl besonders häufig in Göteborg. Da hat, neben 81 anderen Altenpflegerinnen und -pflegern, Kafiye Taspinar Glück. Sie ist 44 Jahre alt und arbeitet im "Svartedalen"-Heim - zwei Stunden weniger pro Tag als früher. Seit mehr als einem Jahr läuft der Test, zwei Jahre sind geplant, dann wird endgültig Bilanz gezogen. Für Kafiye steht aber schon jetzt fest: Alles super! "Wir sind jetzt ausgeruhter und wacher", sagt sie, "und bieten unseren Bewohnern besseren Service und machen einen besseren Job. Man braucht ja Kraft, besonders wenn man wie wir mit Personen mit Demenz arbeitet.

"Auch Bengt Lorenzon sieht das so, er leitet in Göteborg das "Projekt Sechsstundentag": "Ja, unser Personal findet das sehr positiv. Die Leute sind weniger gestresst und haben mehr Freiraum." So fühlten sie sich glücklicher und hätten mehr Energie, und das wiederum merkten auch die Bewohner. "Die finden es natürlich gut."

Effekt im Krankenhaus: Mehr Operationen

Ähnlich positiv sieht es auch bei anderen Tests aus. Etwa in einem Krankenhaus wieder in Göteborg, auch da läuft der Versuch noch - ebenfalls mit positivem Zwischenergebnis: Die Mitarbeiter melden sich selbst seltener krank und sind deutlich produktiver, was in diesem Fall bedeutet: Mehr Operationen!

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Menschen ohnehin nur vier bis fünf Stunden am Tag bei voller Leistung arbeiten können. Also - warum nicht den Sechs-Stunden-Tag für alle und sofort? Ganz einfach: Weil er teuer ist. Es braucht mehr Arbeitskräfte und dafür fehlt anscheinend besonders den öffentlichen Arbeitgebern das Geld.

Auf Dauer zu teuer

In Göteborg gibt es schon Überlegungen, die Versuche dort allen Erfolgen zum Trotz vorzeitig zu stoppen. Begründung: Wir wecken da falsche Hoffnungen, denn langfristig können wir uns das nicht leisten. Aber es gibt eine Alternative - mehr Flexibilität. Und das wird in vielen schwedischen Betrieben schon längst praktiziert: Man kann fast überall in Absprache mit dem Chef einen Tag mal weniger, dafür den anderen mehr arbeiten, oder - und damit wirbt das "Schwedische Institut" sogar ganz offiziell im Ausland um qualifizierte Arbeitskräfte - man erledigt ganz einfach einen Teil der Arbeit von zu Hause.

http://www.tagesschau.de/ausland/sechs-stunden-tag-101.html

Etiketten: Arbeitnehmer. Lohn, Stunde

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