Montag, Juli 04, 2016

Die Tories in Turbulenzen, Labour zerfleischt sich selbst, die Queen mahnt zur Besonnenheit: London sucht eine Exit-Strategie aus den Chaos-Tagen, in denen sich die britische Innenpolitik seit dem Brexit-Votum befindet.

Von Stephanie Pieper, ARD-Studio London

Die vielleicht spannendste Erkenntnis des Wochenendes ist, dass Innenministerin Theresa May mehr als 100 Kochbücher im Regal stehen hat. Und dass die Favoritin für das Amt des britischen Premiers beim Kochen ungern streng nach Rezept vorgeht, sondern lieber improvisiert. Improvisationskunst wird auch in den Verhandlungen mit der EU gefragt sein; May bekräftigte, dass sie nicht mehr in diesem Jahr die Trennung von Brüssel einleiten würde: "Wir müssen erst unsere Verhandlungsposition festlegen. Für uns ist wichtig, dass wir den richtigen Deal bekommen, mit dem wir einerseits die Zuwanderung kontrollieren und andererseits das Beste für die Wirtschaft erreichen.

"May selbst war für den EU-Verbleib; sie präsentiert sich nun als Kandidatin, die die Partei und das Land einen kann. Weder sie noch ihr Konkurrent Michael Gove streben nach dem Wechsel an der Partei- und Regierungsspitze Neuwahlen an.

Gove kämpft gegen Brutus-Image

Der Justizminister muss gegen sein Image als Brutus ankämpfen, der seine Freunde David Cameron und Boris Johnson kaltblütig geopfert habe. Gove verteidigt sich, er habe den Dienst an der Nation über persönliche Freundschaften gestellt: "Ich glaube, dass Großbritannien außerhalb der EU besser dran ist. Und eine Mehrheit der Menschen hat dafür gestimmt. Das Land braucht jetzt Führung von jemandem, der für den EU-Austritt geworben hat.

"Immer mehr Unterstützer sammelt derweil die Brexit-Frontfrau Andrea Leadsom, Staatssekretärin im Energieministerium. Anders als die anderen Kandidaten drängte sie nun auf einen schnellen Brexit. Der ideale Zeitplan sehe einen Brexit im kommenden Frühling vor, sagte Leadsom in einem Interview des "Sunday Telegraph".

Alle konservativen Kandidaten sprechen sich dagegen aus, dass die neue Bewohnerin oder der neue Bewohner von 10 Downing Street allein von den Abgeordneten der Unterhaus-Fraktion "gekrönt" wird; entscheiden solle vielmehr die Parteibasis.

Und was macht Labour?

Von den Tory-Turbulenzen könnte die oppositionelle Labour Party profitieren - theoretisch. Praktisch zerfleischt sie sich selbst. Auch Ex-Parteichef Neil Kinnock reiht sich jetzt bei denen ein, die den Rücktritt des Vorsitzenden Jeremy Corbyn fordern. "Die Mitglieder bezweifelten zunehmend, dass Corbyn die Partei zum Sieg bei der nächsten Parlamentswahl führen könne", meint Kinnock. "Quatsch", entgegnet die frisch zur Schatten-Außenministerin gekürte Abgeordnete Emily Thornberry. Schließlich habe die Basis Corbyn erst vor einem Jahr mit einem klaren Mandat ausgestattet.

Angesichts der Grabenkämpfe zwischen dem linken und dem rechten Flügel scheint auch eine Spaltung der Labour-Partei nicht mehr ausgeschlossen. Am Ende der ereignisreichsten Westminster-Woche seit langem meldete sich erstmals Elisabeth II. zu Wort, als sie in Edinburgh die schottische Parlamentssaison eröffnete. Die Monarchin mahnte, in diesen hektischen Zeiten besonnen zu sein, auch wenn’s schwer falle. Wen die Queen künftig als ihren 13. Premierminister zur wöchentlichen Audienz empfängt, wird auch sie erst Anfang September wissen.


http://www.tagesschau.de/ausland/tory-kandidaten-brexit-101.html

Etiketten: Brexit

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